Die Corona-Impfkampagnen in Österreich – ein Nachruf
Als wir Anfang 2021 zu impfen begannen, waren wir erstaunt, wie schlecht es vorbereitet war, obwohl seit einem Jahr klar war, dass wir vor diese Aufgabe gestellt werden.
Wir Hausärzte in Wien schrieben Risiko- und Hochrisikoatteste nach eigenartigen Kriterien für die Impfstraßen und bettelten um Impfstoffe für die Hochrisikogruppe zu Hause, die durch den Rost fiel.
Doch dann kamen endlich die großen Impfstoffmengen und es war „eh schon egal“, sich damit einmal auseinanderzusetzen. Jetzt gab es „eh“ Impfstoffe für alle.
Die Regierung stellte die Bewerbung der Impfungen ein, als bereits die Impfbereitschaft nachließ. Doch auch das war „eh schon egal“. Die Pandemie war „eh“ vorbei und maximal Privatsache und die Impfzahlen sanken weiter.
Dann kam Delta und der nächste Lockdown war nötig, weil die Krankheitslast zu groß wurde und die Impfpflicht wurde angekündigt. Unvorbereitet und zaghaft wird nun eine Impfpflicht langsam in die Gänge gebracht. Warum auch die Eile? Für Delta kommt sie „eh zu spät“. Leider nun auch für Omikron.
Wohl weit mehr als eine Million Menschen werden sich in Österreich mit Omikron anstecken, wohl auch viele Ungeimpfte mit fraglichem Ausgang. Und auch viele Geimpfte. Und schon tauchen die Fragen auf, ob wir eine Impfplicht dann überhaupt noch brauchen, weil sich nun so viele anstecken werden und es „eh schon egal“ ist, die Pandemie danach „eh schon vorbei“ ist. Und was nächsten Herbst sein wird, kann ja auch niemand wissen, ist also „eh“ auch egal. Schauen wir mal.
Am Montag werde ich viele Impfdosen wegwerfen, weil sie abgelaufen sein werden, weil der Impfandrang weiter stark nachließ. Der große Andrang wegen der Impfpflicht blieb aus. Kein Wunder. Aber wir haben so viele Impfdosen, wir können sie wegwerfen, während sie den Ländern fehlen, wo wahrscheinlich Omikron entstand. Aber jetzt ist es „eh schon zu spät“, da was zu ändern.
Manchmal scheint es so, als würden sich viele, entsprechend den persönlichen Vorlieben, ihren eigenen Lieblings-Wissenschaftler aussuchen, an den sie „glauben“: Einen der sich immer für oder einen der sich mal so mal so oder einen der sie eher gegen das forcierte Impfen ausspricht. Als ob man es allen recht machen wollen würde, so verworren wirkt dann die Strategie zur Eindämmung der Pandemie. Und das nicht nur beim Impfen.
Egal ob man für oder gegen eine Impfpflicht ist, was wohl fehlt, ist, dass wir uns als Gesellschaft zu keiner klaren, gemeinsamen, vorausschauenden Strategie in Österreich oder auch global durchringen können, sodass wir entschlossen das wissenschaftliche Wissen mit Mut und Vernunft schnell umzusetzen. Denn nach wie vor sterben jeden Tag Menschen, weil sie sich nicht impfen lassen. Und es wird wohl leider auch so weitergehen.
Dieses ständige „ist ja eh schon zu spät und eh schon egal“ könnte man als Symptom für dieses Fehlen von Strategie, mangelndes Verstehen von Wissenschaft und politischen Egoismus heranziehen.
Ja eh.